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Kultur- und Kreativwirtschaft: Aufbruchstimmung mit Händen zu greifen

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Auf dem Podium diskutierten (v.li.) Robert Hübschmann, Lorenz Deutsch, Ulrich Graser, Roland Wölfel und Jürgen Enninger. Foto: Udo Güldner

Auf dem Podium diskutierten (v.li.) Robert Hübschmann, Lorenz Deutsch, Ulrich Graser, Roland Wölfel und Jürgen Enninger. Foto: Udo Güldner

Diese Diskussion war lange überfällig. Im Jungen Theater Forchheim durfte ich gestern ein Podium moderieren, das sich mit einem der wichtigsten Themen Forchheims der nächsten Jahre beschäftigte. Nämlich mit der Frage nach der kulturellen Weiterentwicklung der Großen KleinKreisstadt.

Vordergründig stand eigentlich das Konzeptpapier im Mittelpunkt, das Lorenz Deutsch und Robert Hübschmann gemeinsam für ein mögliches Kulturzentum im heutigen Kolpinghaus entwickelt haben. Dieses Konzept ist hier herunterzuladen.

Sehr schnell stellte sich allerdings heraus, dass an diesem Abend weit mehr verhandelt wurde. Auf dem Podium saßen – neben den Lokalmatadoren Deutsch und Hübschmann – mit Jürgen Enninger und Roland Wölfel zwei Hochkaräter von außerhalb. Enninger leitet das Regionalbüro Bayern des Kompetenzzentrums für Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes. Ziel dieser Stelle ist es, “für alle Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft verbesserte Rahmenbedingungen zu schaffen.” Enninger und seine Kolleginnen und Kollegen beraten also Kreative aus allen möglichen Branchen, die etwas eigenes aufbauen wollen, die sich mit Gleichgesinnten vernetzen wollen und die nicht so recht wissen, wie sie vorgehen sollen. Da war er in Forchheim genau richtig.

Roland Wölfel aus Obertrubach, Gründer und Chef der bundesweit und in Österreich tätigen  Stadtmarketing- und Beratungsagentur CIMA und seit vielen Jahren Ratgeber der Stadt Forchheim, legte gleich zu Beginn Zahlen vor, die eigentlich jede Diskussion darüber, ob Forchheim anstelle eines Kulturzentrums nicht eine Stadthalle bräuchte, im Kein ersticken hätten müssen. Demnach erreichen bundesweit im Schnitt nur 5,4 Prozent aller Veranstaltungen ein Publikum mit mehr als 1000 Menschen, aber 80 Prozent werden von 500 oder weniger Menschen besucht.

Dennoch hielten die SPD-Räte im Publikum an ihrer Forderung nach einer Stadthalle fest. Vertreten waren außerdem die Freien Wähler. Die CSU-Fraktion hatte niemanden entsandt, so weit ich das gegen das grelle Scheinwerferlicht von der Bühne aus erkennen konnte. Die FGL war dagegen präsent. Überhaupt das Publikum: Die Diskussion war nach meinem Empfinden überwiegend sachbezogen und brachte das Thema voran.

Jürgen Enninger beispielsweise wies die anwesenden Kreativen immer wieder darauf hin, dass sie nicht bei der Stadt oder sonstwo als Bittsteller oder als willkommene Pausenclowns auftreten sollen: “Ihr müsst klar formulieren, was ihr braucht und nicht, was die Stadt braucht.” Roland Wölfel betonte die Bedeutung, die eine funktionierende Kultur- und Kreativwirtschaft für eine aufstrebende Stadt wie Forchheim haben kann und haben muss. Gerade jetzt, wo sich Forchheim auf einer gesunden wirtschaftlichen Basis auch inhaltlich weiterentwickeln muss, sind die kulturell Kreativen gefragt, eine “Marke” zu schaffen, ähnlich dem Erlanger E-Werk, der Rother Kulturfabrik oder dem Scharfrichterhaus in Passau.

Die Diskussion zeigte aus meiner Sicht auch die ganze Bandbreite der Bedenkenträgerei. Immer wieder beklagten SPD-Räte, dass “die Stadt” dies und jenes “einfach nicht will”, dass “zuerst einmal der Stadtrat klar definieren muss, was er mit der Kultur will” und es wurde zum wiederholten Male kritisiert, dass der OB einen “Runden Tisch Kultur” eingerichtet habe und mit diesem “im Hinterzimmer” am Stadtrat vorbei das Kolpinghaus als Kulturzentrum planen wolle.

Leider war die kulturelle Stimme der Stadt, der Kulturbeauftragte Dieter George, kurz vor der Sitzung  erkrankt. Er sollte auf dem Podium sitzen und unter anderem darüber Auskunft geben, welchen Zweck der Runde Tisch verfolgt. Er konnte es nicht, da nicht anwesend. Immerhin zählte Robert Hübschmann einige Teilnehmer des Runden Tisches auf. Und siehe da: Nicht nur die “üblichen Verdächtigen” sitzen dort zusammen, sondern auch etliche Gesangvereine, beispielsweise.

Manche meldeten sich daraufhin auch zu Wort. Aus ihren Einlassungen war ein großes Bedürfnis nach Vernetzung herauszuhören, nach einem gemeinsamen Vorgehen, nach einer gemeinsamen Basis. Diese Chance darf sich Forchheims Kultur- und Kreativwirtschaft nicht entgehen lassen. Wenn sie sich jetzt nicht vernetzen und ihre Vorstellungen entwickeln, wann dann?

Schließlich stellte sich gegen Ende noch heraus, dass Forchheims Wirtschaftsförderer Viktor Naumann an seiner früheren Wirkungsstätte in der Nürnberger Stadtverwaltung ein Papier genau zu diesem Thema erarbeitet und verfasst hat. Es kann hier eingesehen werden. Wenn das mal keine schönen Voraussetzungen sind.

Klar wurde durch die Beiträge Ennigers, Wölfels und Naumanns, dass die lokale und regionale Kultur- und Kreativwirtschaft mehr ist als Rockmusik, Theater und Kabarett. Aber auch mehr als Blasmusik und Chorgesang. Zur kreativen Szene gehören auch wir als Medien, gehören Filmemacher (von denen Forchheim einige hat), Online-Kreative, Fotografen, bildende Künstler, Designer, Architekten, Werber. Und bestimmt noch viel mehr.

Wer auch immer jetzt über das JTF-Konzept nachdenkt, über ein Kulturzentrum für Forchheim, der muss diese Bedürfnisse im Hinterkopf haben. Das geht nur über einen Weg: Fenster auf, frische Luft hereinlassen, neue Wege gehen, größer und weiter denken als bisher. Nicht als Bittsteller auftreten, sondern selbstbewusst als relevante Masse formulieren, was nötig ist. Ziel darf es aus meiner Sicht nicht (mehr) sein, am Tropf öffentlicher oder gewerblicher Zuschussgeber zu hängen. Sondern die Augen fest auf eine möglichst eigenwirtschaftliche Lösung zu richten. Die Forchheimer Kreativen haben viel zu bieten. Jetzt geht es los.


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